Mosaiken in Olympia
In Olympia lassen sich bisherigen Untersuchungen zufolge mindestens sechs Typen von Pavimenten aus Steinmaterial fassen:
Als "Mosaiken" werden im folgenden nur Pavimente bezeichnet, die mit einem Dekor aus verschiedenfarbigen Kieselsteinen oder zugeschnittenen Würfeln versehen sind (Nr. 2 und 6).
Reste von Wandmosaiken wurden in den Römischen Gästehäusern und im Ostthermengebiet beobachtet. Dieses Material ist zum großen Teil verschollen. Charakteristisch für die Römische Kaiserzeit sind zweifellos Tessellatmosaiken, deren wesentliche Merkmale hier kurz vorgestellt werden sollen.
Bisher wurden insgesamt 24 Mosaiken in acht Gebäudekomplexen an der Peripherie des Heiligtums ausgegraben. Die frühesten Pavimente stammen aus den Kladeosthermen und sind in das späte 1. Jh. n. Chr. zu datieren. Die spätesten Beispiele (um 300 n. Chr.) wurden in den Leonidaionthermen und im Prytaneion freigelegt.
Die meisten Mosaiken in Olympia sind im 3. Jh. n. Chr. entstanden. Sie weisen geometrische Muster auf, die z.T. sehr farbig und effektvoll gestaltet sind wie in Raum 8 des Römischen Gästehauses II (um die Mitte des 3. Jhs.).
Von der Langlebigkeit geometrischer Muster legen die Böden in den
Kronionthermen (2. Jh. n. Chr.) und im Prytaneion (um 300 n. Chr.) Zeugnis
ab. Der Rapport aus Acht- und Vierecken ist hier nahezu identisch und
gibt, losgelöst vom Fundkontext, nur wenig Aufschluß über
eine genauere Datierung. Selten treten figürliche Motive innerhalb
eines geometrischen Rapports auf.
In den Südthermen sind kleine Vögel in Kompartimente des Bodens
eingeschrieben. Es handelt sich hier allerdings um beliebig austauschbare
Füllsel, die anscheinend keinen höheren Stellenwert als geometrische
oder vegetabilische Ornamente haben (frühes 3. Jh.).
Die Mosaiken der Kronionthermen und des Oktogons schmücken phantastische
Seeungeheuer wie Tritonen, Hippokampen und Meeresstiere. Diese Wesen sind
in Verbindung mit den angrenzenden Wasserbecken zu sehen und unterstreichen
die lebensspendene Kraft des feuchten Elements. Marine Szenen treten generell
auf Mosaiken weitaus häufiger als andere Sujets auf.
Die Themen der Mosaiken in Olympia weisen keinen eindeutigen Bezug zu
den Spielen, die im Heiligtum stattfanden, auf. Nur in einem Fall liegt
vielleicht eine Anspielung auf die olympischen Wettkämpfe vor: im
Oktogon der Ostthermen befindet sich ein Mosaikfragment mit der Darstellung
einer Palme und eines nicht näher spezifizierbaren Gegenstandes,
vermutlich einer Siegestrophäe.
Die Mosaiken aus den Kladeosthermen können
aufgrund des Befundes in trajanisch-hadrianische Zeit datiert werden.
An der Stelle des Thermenbaus hatte sich ursprünglich ein großes
Schwimmbad befunden, das im 5. Jh. v. Chr. erbaut und erst während
der Kaiserzeit zugeschüttet wurde. Die jüngsten Funde aus seiner
Verfüllung wurden ins späte 1. Jh. n. Chr. datiert. Vermutlich
hat man das Schwimmbad um 100 n. Chr. eingeebnet, um Baugrund für
die Kladeosthermen zu schaffen.
Die Böden sind mit einfachen Mustern geschmückt, bei denen vollkommen
auf perspektivische Effekte verzichtet wurde. Es dominiert der weiße
Grund, auf dem einzelne Motive klar voneinander abgesetzt sind. Vergleichbare
geometrische Muster und vegetabilische Motive finden sich erstmals auf
italischen Böden des 1. Jhs. n. Chr., sind dort jedoch ausschließlich
in Schwarz und Weiß wiedergegeben, während sie hier durch Hellrosa
und intensive Farben wie Orange, Weinrot und Grün bereichert sind.
Das anspruchsvollste Mosaik befindet sich in einem zentral gelegenen Durchgangsraum,
der vermutlich als repräsentativer "Salon" diente. Das Muster besteht
aus rosa Viererpelten, die schwarz umrandet sind. Die Mitte des Raumes
wird durch neun dunkelrote Peltenpaare hervorgehoben. Gerahmt wird der
Peltenteppich von einer Akanthusranke. Sie weist an jeder Seite zehn Einrollungen
auf, die einem dreiblättrigen Kelch in ihrer Mitte entwachsen. Bei
der Gestaltung der Blüten und der Akanthuskelche wurde auf Abwechslung
Wert gelegt. Einzelne Elemente wie Stengel, Blätter und Blüten
sind akkurat gezeichnet und wirken in ihrer kühlen Eleganz nahezu
"klassizistisch".
Vergleichbare, ähnlich feingliedrig gebildete Akanthusranken finden
sich auf Mosaiken des 1. und 2. Jhs. n. Chr.: frühe Parallelen in
Pompeji; Korinth, Anaploga (um 100 n. Chr.); Knossos, Villa Dionysos (um
150 n. Chr.). Bei späteren Beispielen des 3. und 4. Jhs. n. Chr.
verleihen fleischige Blätter und füllige Blüten den Ranken
einen etwas massiveren Charakter, z.B. in Dion, Villa Dionysos (um 200
n. Chr.) und Argos, Odos Tripoleos (4. Jh. n. Chr.).
Für die Mosaiken der Kronionthermen wurden
in der bisherigen Forschung unterschiedliche Datierungen vorgeschlagen,
die vom 1.-3. Jh. n. Chr. reichen. Neue Anhaltspunkte liefern die Befunde
der jüngsten Grabungen unter Leitung von Ulrich Sinn.
Aus einer relativ frühen Phase stammen sicher das geometrische Rapportmuster
sowie zwei polychrome Bildfelder mit Darstellungen von Seewesen. Die Auswertung
des Grabungsbefundes an der Westseite der Kronionthermen legt ihre Entstehung
in der ersten Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. nahe.
Das "Emblema" der Westhalle zeigt einen Triton mit vier flankierenden
Hippokampen. Auf dem weißen Grund ist das Wasser durch wenige graue
Linien angedeutet. Bei den Figuren dominieren Braun- und Grautöne.
Im Gesicht des Tritons sind die Tessellae ungleichmäßig geschnitten
und auf impressionistische Weise aneinandergefügt. Ungenauigkeiten
bei der Wiedergabe der Figuren und des geometrischen Rahmens lassen darauf
schließen, daß der Mosaizist seine Vorlage nicht richtig verstand
bzw. zu schnell und ungenau arbeitete: die Beine des weitgehend menschlich
gebildeten Tritons gehen in zwei spiralförmig eingedrehte Flossen
über. Von der rechten Schwanzflosse ist nur der Ansatz angegeben.
Auch an der linken Körperseite ist ihr Verlauf nicht mehr klar zu
erkennen. Das Mäntelchen ist unter die Achsel geklemmt und nicht,
wie sonst üblich, um den Oberarm gewunden. Die Farbe der Zügel
wechselt ganz unvermittelt von Dunkelbraun und Schwarz zu Hellbraun. Einer
weiteren Unachtsamkeit des Mosaizisten ist es zuzuschreiben, daß
der Triton in der Rechten die Zügel von nur einem Hippokampen
(des vorderen) hält.
Zum Vorbild: Das Motiv des doppelschwänzigen, frontal dargestellten
Tritons, der vier Hippokampen an ihren Zügeln anführt, ist bisher
einzigartig auf Mosaiken. Meistens werden Tritonen und Ichthyokentauren
im Profil, mit nur einer Schwanzflosse dargestellt. Bei dem Tritonmosaik
von Olympia ist die Geschlossenheit der Komposition bemerkenswert. Die
Hippokampen sind nahezu symmetrisch zu Seiten des Tritons angeordnet und
springen, einen Halbkreis bildend, aus der Tiefe schräg nach vorne.
Das nach rechts wehende Mäntelchen schafft ein Gegengewicht zu dem
nach links oben gerichteten Dreizack. Die Komposition weist Übereinstimmungen
mit Bildern des Poseidons auf seiner Quadriga auf. Es ist deshalb anzunehmen,
daß hier eine Kontamination mit einem bekannten Poseidontypus stattgefunden
hat. Die Bärtigkeit des Tritons spricht ebenfalls für diese
Annahme, denn auf allen bisher bekannten Mosaiken in Griechenland sind
Tritonen bzw. Seekentauren nur dann bärtig dargestellt, wenn sie
sich in Begleitung eines jüngeren Artgenossen befinden.
In der Mitte des Nordflügels wurde ein Bildfeld mit zwei Delphinen
entdeckt, das sicher aus einer späteren Phase als der übrige
Mosaikboden stammt. Es muß in der 2. Hälfte des 2. Jhs. oder
zu Beginn des 3. Jhs. n. Chr. als Ersatz für ein zerstörtes
Bildfeld geschaffen worden sein. Das geometrische Muster wurde ebenfalls
zum Teil neu verlegt. Die Ausbesserung tritt am Bildrand besonders deutlich
hervor: die Tessellae liegen hier etwas höher und orientieren sich
nicht an den Steinchenreihen des angrenzenden, intakt gebliebenen Mosaiks.
Die Delphine sind im schwarzen Silhouettenstil wiedergegeben - im Gegensatz
zu den "Emblemata" der ersten Phase des Paviments, die aus polychromen
Tessellae bestehen. Die Steinchen sind größer als bei dem Tritonmosaik,
die Technik insgesamt summarischer.
Das Delphinmosaik in den Kronionthermen von Olympia belegt eindeutig,
daß Schwarzweißmosaiken nicht nur während der frühen
Kaiserzeit verlegt wurden. Sie treten auch im 3. und 4. Jh. n. Chr. auf,
im Fall der Kronionthermen ersetzen sie sogar ein früher entstandenes
polychromes Mosaikbild.
Im Südosten von Olympia befindet sich das Oktogon,
ein achteckiges Tepidarium, dessen Mosaikboden mit verschiedenartigen
Seewesen geschmückt ist. Grabungsbefund und Stil legen eine Datierung
in die 1. Hälfte des 3. Jhs. nahe.
Der Mosaikdekor orientiert sich am Raumgrundriß: von einem achteckigen
Medaillon in der Mitte strahlen trapezförmige Felder aus. In den
breiten Streifen zwischen den Feldern wachsen verschiedenfarbige Lorbeergirlanden
aus Krateren zur Raummitte hin auf. Das Medaillon wird zusätzlich
von einem sog. Zeltdachband gerahmt, dessen gelbe Ringe die schwarze Einfassungslinie
überschneiden. In den trapezförmigen Feldern befindet sich jeweils
ein größeres Seeungeheuer in Begleitung von einem oder zwei
Delphinen. Zwei Felder an der Westseite sind nahezu vollständig erhalten.
Sie zeigen einen Hippokampen und einen Seestier, die einander symmetrisch
zugewandt sind. Auch die Tiere in den übrigen Feldern bildeten wahrscheinlich
antithetische Gruppen.
Die diagonale Komposition im Oktogon von Olympia weist eindeutige Bezüge
zu Stukkaturen und Malereien überwölbter Decken auf. Das Gliederungsschema
hat keine vollkommen übereinstimmenden Parallelen im griechischen
Raum. Vergleichsbeispiele lassen sich jedoch in anderen Provinzen des
römischen Reiches nachweisen. Diagonale Kompositionen sind erstmals
auf italischen Schwarzweißmosaiken zu beobachten. In Griechenland
treten sie seit dem 2. Jh. n. Chr. auf und sind bis auf zwei Ausnahmen
in polychromer Technik ausgeführt. Das olympische Oktogonmosaik weist
enge Beziehungen zu dem achteckigen Paviment aus den Thermen von Otricoli
auf (Rom, Vatikan), das ebenfalls in trapezförmige Felder mit phantastischen
Seewesen unterteilt ist. Das italische Paviment ist allerdings bedeutend
größer und mit anspruchsvolleren Figurentypen versehen. Die
figürlichen Motive werden abwechslungsreich variiert. In der neueren
Forschung hat sich für das Mosaik von Otricoli eine Datierung in
das frühe 3. Jh. n. Chr. durchgesetzt. Es wäre denkbar, daß
der Mosaizist in Olympia von einer Zeichnung bzw. einem Entwurf des italischen
Paviments inspiriert wurde.
Die Untersuchung hat gezeigt, daß in Olympia vom 2.-4. Jh. n. Chr.
verschiedene Mosaikwerkstätten tätig waren. Das bisher gefundene
Material ist eher von durchschnittlicher Qualität. Olympia war sicher
keine Hochburg der Mosaikproduktion wie etwa Patras oder Sparta. Weder
geometrische Muster noch figürliche Darstellungen lassen ein besonderes
handwerkliches Geschick oder eine auffallend originelle Eingebung der
Mosaizisten erkennen.
Von ikonographischem Interesse ist das Tritonmosaik aus den sog. Kronionthermen.
Der Mosaizist hat seine (wahrscheinlich gemalte) Vorlage allerdings etwas
unachtsam in Stein umgesetzt. Unter den geometrischen Pavimenten sticht
das Peltenmosaik aus den Kladeosthermen hervor.
Für die zum Zentrum hin changierende Farbigkeit des Musters gibt
es bisher keine Parallelen in Griechenland. Von dem engen Bezug zwischen
Decken- und Fußbodendekor legen die Mosaiken im Oktogon und im südlichen Raum des Mosaikhauses Zeugnis ab. Bei letzerem Paviment erhalten die Füllornamente auf
dem schwarzen Hintergrund eine besondere Leuchtkraft. Im römischen
Griechenland wurden äußerst selten Mosaiken mit schwarzem Grund
verlegt.
Der disparate Charakter der hier gezeigten Beispiele ist kennzeichnend
für die Mosaikproduktion in ganz Griechenland. Eine stilistische
Beurteilung und genauere zeitliche Einordnung des Materials werden generell
dadurch erschwert.
Verf., Die kaiserzeitlichen Mosaiken in Olympia. Eine Bestandsaufnahme,
in: VI Coloquio internacional sobre Mosaico antiguo. Palencia-Mérida,
Octubre 1990 (1994) 135-147; Dies., Kaiserzeitliche Mosaiken in Griechenland Bd. I-II (Dissertation Bonn, 1994); Dies., Das Bodenmosaik aus Raum A,
in: Nikephoros. Zeitschrift für Sport und Kultur im Altertum 8, 1995,
169ff.
U. Sinn u. a. in der Zeitschrift für
Sport und Kultur im Altertum "Nikephoros" Bd. 2 ff. (1989 ff.);
A. Mallwitz, Olympia und seine Bauten (1972) 107ff.; Ders. , Olympia und
Rom, Antike Welt 19, 1988, 21ff.; E. N. Gardiner, Olympia. Its history
and remains (1925) 152ff.; H.-V. Herrmann, Olympia. Heiligtum und Wettkampfstätte
(1972) 183ff.; A. und N. Yalouris, Olympia. Ein Führer durch Museum
und Heiligtum (1987) 26f.
Bei diesem Beitrag handelt es sich um die gekürzte Fassung eines
Vortrages, der 1998 im Rahmen des Kolloquiums „Olympia in der Römischen
Kaiserzeit und in der Spätantike“ an der Bayerischen
Julius-Maximilians-Universiät in Würzburg gehalten wurde.