Mosaiken in Olympia


In Olympia lassen sich bisherigen Untersuchungen zufolge mindestens sechs Typen von Pavimenten aus Steinmaterial fassen:

1. schlichte Kieselböden ohne schmückende Motive (Palästra, Südthermen)
2. Kieselmosaiken mit ornamentalem und figürlichem Dekor (Zeustempel)
3. Kieselestrich (Rollsteinpflaster) in Kombination mit Opus tessellatum (Leonidaionthermen)
4. Böden aus Marmor- oder Kalksteinplatten, Opus sectile (Zeustempel, Kronionthermen)
5. Böden aus regelmäßig zugeschnittenen Steinwürfeln (Tessellae) und aus Resten von Marmor- und Kalksteinplatten, Opus scutulatum (Kladeosthermen)
6. Pavimente, die aus Stein-, Keramik- und Glaswürfeln bestehen, Opus tessellatum (Kladeosthermen, sog. Kronionthermen, Mosaikhaus im Südthermengebiet, Oktogon der Ostthermen, Mosaiksaal im Ostthermengebiet, Römische Gästehäuser, Leonidaionthermen, Prytaneion)

Als "Mosaiken" werden im folgenden nur Pavimente bezeichnet, die mit einem Dekor aus verschiedenfarbigen Kieselsteinen oder zugeschnittenen Würfeln versehen sind (Nr. 2 und 6).

Reste von Wandmosaiken wurden in den Römischen Gästehäusern und im Ostthermengebiet beobachtet. Dieses Material ist zum großen Teil verschollen. Charakteristisch für die Römische Kaiserzeit sind zweifellos Tessellatmosaiken, deren wesentliche Merkmale hier kurz vorgestellt werden sollen.

Datierung der kaiserzeitlichen Mosaiken

Bisher wurden insgesamt 24 Mosaiken in acht Gebäudekomplexen an der Peripherie des Heiligtums ausgegraben. Die frühesten Pavimente stammen aus den Kladeosthermen und sind in das späte 1. Jh. n. Chr. zu datieren. Die spätesten Beispiele (um 300 n. Chr.) wurden in den Leonidaionthermen und im Prytaneion freigelegt.

Motive, Formenschatz

Die meisten Mosaiken in Olympia sind im 3. Jh. n. Chr. entstanden. Sie weisen geometrische Muster auf, die z.T. sehr farbig und effektvoll gestaltet sind wie in Raum 8 des Römischen Gästehauses II (um die Mitte des 3. Jhs.).

Von der Langlebigkeit geometrischer Muster legen die Böden in den Kronionthermen (2. Jh. n. Chr.) und im Prytaneion (um 300 n. Chr.) Zeugnis ab. Der Rapport aus Acht- und Vierecken ist hier nahezu identisch und gibt, losgelöst vom Fundkontext, nur wenig Aufschluß über eine genauere Datierung. Selten treten figürliche Motive innerhalb eines geometrischen Rapports auf.

In den Südthermen sind kleine Vögel in Kompartimente des Bodens eingeschrieben. Es handelt sich hier allerdings um beliebig austauschbare Füllsel, die anscheinend keinen höheren Stellenwert als geometrische oder vegetabilische Ornamente haben (frühes 3. Jh.).

Die Mosaiken der Kronionthermen und des Oktogons schmücken phantastische Seeungeheuer wie Tritonen, Hippokampen und Meeresstiere. Diese Wesen sind in Verbindung mit den angrenzenden Wasserbecken zu sehen und unterstreichen die lebensspendene Kraft des feuchten Elements. Marine Szenen treten generell auf Mosaiken weitaus häufiger als andere Sujets auf.

Die Themen der Mosaiken in Olympia weisen keinen eindeutigen Bezug zu den Spielen, die im Heiligtum stattfanden, auf. Nur in einem Fall liegt vielleicht eine Anspielung auf die olympischen Wettkämpfe vor: im Oktogon der Ostthermen befindet sich ein Mosaikfragment mit der Darstellung einer Palme und eines nicht näher spezifizierbaren Gegenstandes, vermutlich einer Siegestrophäe.

Stil

Die Mosaiken aus den Kladeosthermen können aufgrund des Befundes in trajanisch-hadrianische Zeit datiert werden. An der Stelle des Thermenbaus hatte sich ursprünglich ein großes Schwimmbad befunden, das im 5. Jh. v. Chr. erbaut und erst während der Kaiserzeit zugeschüttet wurde. Die jüngsten Funde aus seiner Verfüllung wurden ins späte 1. Jh. n. Chr. datiert. Vermutlich hat man das Schwimmbad um 100 n. Chr. eingeebnet, um Baugrund für die Kladeosthermen zu schaffen.
Die Böden sind mit einfachen Mustern geschmückt, bei denen vollkommen auf perspektivische Effekte verzichtet wurde. Es dominiert der weiße Grund, auf dem einzelne Motive klar voneinander abgesetzt sind. Vergleichbare geometrische Muster und vegetabilische Motive finden sich erstmals auf italischen Böden des 1. Jhs. n. Chr., sind dort jedoch ausschließlich in Schwarz und Weiß wiedergegeben, während sie hier durch Hellrosa und intensive Farben wie Orange, Weinrot und Grün bereichert sind. Das anspruchsvollste Mosaik befindet sich in einem zentral gelegenen Durchgangsraum, der vermutlich als repräsentativer "Salon" diente. Das Muster besteht aus rosa Viererpelten, die schwarz umrandet sind. Die Mitte des Raumes wird durch neun dunkelrote Peltenpaare hervorgehoben. Gerahmt wird der Peltenteppich von einer Akanthusranke. Sie weist an jeder Seite zehn Einrollungen auf, die einem dreiblättrigen Kelch in ihrer Mitte entwachsen. Bei der Gestaltung der Blüten und der Akanthuskelche wurde auf Abwechslung Wert gelegt. Einzelne Elemente wie Stengel, Blätter und Blüten sind akkurat gezeichnet und wirken in ihrer kühlen Eleganz nahezu "klassizistisch".
Vergleichbare, ähnlich feingliedrig gebildete Akanthusranken finden sich auf Mosaiken des 1. und 2. Jhs. n. Chr.: frühe Parallelen in Pompeji; Korinth, Anaploga (um 100 n. Chr.); Knossos, Villa Dionysos (um 150 n. Chr.). Bei späteren Beispielen des 3. und 4. Jhs. n. Chr. verleihen fleischige Blätter und füllige Blüten den Ranken einen etwas massiveren Charakter, z.B. in Dion, Villa Dionysos (um 200 n. Chr.) und Argos, Odos Tripoleos (4. Jh. n. Chr.).

Für die Mosaiken der Kronionthermen wurden in der bisherigen Forschung unterschiedliche Datierungen vorgeschlagen, die vom 1.-3. Jh. n. Chr. reichen. Neue Anhaltspunkte liefern die Befunde der jüngsten Grabungen unter Leitung von Ulrich Sinn.
Aus einer relativ frühen Phase stammen sicher das geometrische Rapportmuster sowie zwei polychrome Bildfelder mit Darstellungen von Seewesen. Die Auswertung des Grabungsbefundes an der Westseite der Kronionthermen legt ihre Entstehung in der ersten Hälfte des 2. Jhs. n. Chr. nahe.
Das "Emblema" der Westhalle zeigt einen Triton mit vier flankierenden Hippokampen. Auf dem weißen Grund ist das Wasser durch wenige graue Linien angedeutet. Bei den Figuren dominieren Braun- und Grautöne. Im Gesicht des Tritons sind die Tessellae ungleichmäßig geschnitten und auf impressionistische Weise aneinandergefügt. Ungenauigkeiten bei der Wiedergabe der Figuren und des geometrischen Rahmens lassen darauf schließen, daß der Mosaizist seine Vorlage nicht richtig verstand bzw. zu schnell und ungenau arbeitete: die Beine des weitgehend menschlich gebildeten Tritons gehen in zwei spiralförmig eingedrehte Flossen über. Von der rechten Schwanzflosse ist nur der Ansatz angegeben. Auch an der linken Körperseite ist ihr Verlauf nicht mehr klar zu erkennen. Das Mäntelchen ist unter die Achsel geklemmt und nicht, wie sonst üblich, um den Oberarm gewunden. Die Farbe der Zügel wechselt ganz unvermittelt von Dunkelbraun und Schwarz zu Hellbraun. Einer weiteren Unachtsamkeit des Mosaizisten ist es  zuzuschreiben, daß der Triton in der Rechten die Zügel von nur  einem Hippokampen (des vorderen) hält.
Zum Vorbild: Das Motiv des doppelschwänzigen, frontal dargestellten Tritons, der vier Hippokampen an ihren Zügeln anführt, ist bisher einzigartig auf Mosaiken. Meistens werden Tritonen und Ichthyokentauren im Profil, mit nur einer Schwanzflosse dargestellt. Bei dem Tritonmosaik von Olympia ist die Geschlossenheit der Komposition bemerkenswert. Die Hippokampen sind nahezu symmetrisch zu Seiten des Tritons angeordnet und springen, einen Halbkreis bildend, aus der Tiefe schräg nach vorne. Das nach rechts wehende Mäntelchen schafft ein Gegengewicht zu dem nach links oben gerichteten Dreizack. Die Komposition weist Übereinstimmungen mit Bildern des Poseidons auf seiner Quadriga auf. Es ist deshalb anzunehmen, daß hier eine Kontamination mit einem bekannten Poseidontypus stattgefunden hat. Die Bärtigkeit des Tritons spricht ebenfalls für diese Annahme, denn auf allen bisher bekannten Mosaiken in Griechenland sind Tritonen bzw. Seekentauren nur dann bärtig dargestellt, wenn sie sich in Begleitung eines jüngeren Artgenossen befinden.

In der Mitte des Nordflügels wurde ein Bildfeld mit zwei Delphinen entdeckt, das sicher aus einer späteren Phase als der übrige Mosaikboden stammt. Es muß in der 2. Hälfte des 2. Jhs. oder zu Beginn des 3. Jhs. n. Chr. als Ersatz für ein zerstörtes Bildfeld geschaffen worden sein. Das geometrische Muster wurde ebenfalls zum Teil neu verlegt. Die Ausbesserung tritt am Bildrand besonders deutlich hervor: die Tessellae liegen hier etwas höher und orientieren sich nicht an den Steinchenreihen des angrenzenden, intakt gebliebenen Mosaiks. Die Delphine sind im schwarzen Silhouettenstil wiedergegeben - im Gegensatz zu den "Emblemata" der ersten Phase des Paviments, die aus polychromen Tessellae bestehen. Die Steinchen sind größer als bei dem Tritonmosaik, die Technik insgesamt summarischer.
Das Delphinmosaik in den Kronionthermen von Olympia belegt eindeutig, daß Schwarzweißmosaiken nicht nur während der frühen Kaiserzeit verlegt wurden. Sie treten auch im 3. und 4. Jh. n. Chr. auf, im Fall der Kronionthermen ersetzen sie sogar ein früher entstandenes polychromes Mosaikbild.

Im Südosten von Olympia befindet sich das Oktogon, ein achteckiges Tepidarium, dessen Mosaikboden mit verschiedenartigen Seewesen geschmückt ist. Grabungsbefund und Stil legen eine Datierung in die 1. Hälfte des 3. Jhs. nahe.
Der Mosaikdekor orientiert sich am Raumgrundriß: von einem achteckigen Medaillon in der Mitte strahlen trapezförmige Felder aus. In den breiten Streifen zwischen den Feldern wachsen verschiedenfarbige Lorbeergirlanden aus Krateren zur Raummitte hin auf. Das Medaillon wird zusätzlich von einem sog. Zeltdachband gerahmt, dessen gelbe Ringe die schwarze Einfassungslinie überschneiden. In den trapezförmigen Feldern befindet sich jeweils ein größeres Seeungeheuer in Begleitung von einem oder zwei Delphinen. Zwei Felder an der Westseite sind nahezu vollständig erhalten. Sie zeigen einen Hippokampen und einen Seestier, die einander symmetrisch zugewandt sind. Auch die Tiere in den übrigen Feldern bildeten wahrscheinlich antithetische Gruppen.

Die diagonale Komposition im Oktogon von Olympia weist eindeutige Bezüge zu Stukkaturen und Malereien überwölbter Decken auf. Das Gliederungsschema hat keine vollkommen übereinstimmenden Parallelen im griechischen Raum. Vergleichsbeispiele lassen sich jedoch in anderen Provinzen des römischen Reiches nachweisen. Diagonale Kompositionen sind erstmals auf italischen Schwarzweißmosaiken zu beobachten. In Griechenland treten sie seit dem 2. Jh. n. Chr. auf und sind bis auf zwei Ausnahmen in polychromer Technik ausgeführt. Das olympische Oktogonmosaik weist enge Beziehungen zu dem achteckigen Paviment aus den Thermen von Otricoli auf (Rom, Vatikan), das ebenfalls in trapezförmige Felder mit phantastischen Seewesen unterteilt ist. Das italische Paviment ist allerdings bedeutend größer und mit anspruchsvolleren Figurentypen versehen. Die figürlichen Motive werden abwechslungsreich variiert. In der neueren Forschung hat sich für das Mosaik von Otricoli eine Datierung in das frühe 3. Jh. n. Chr. durchgesetzt. Es wäre denkbar, daß der Mosaizist in Olympia von einer Zeichnung bzw. einem Entwurf des italischen Paviments inspiriert wurde.

Fazit

Die Untersuchung hat gezeigt, daß in Olympia vom 2.-4. Jh. n. Chr. verschiedene Mosaikwerkstätten tätig waren. Das bisher gefundene Material ist eher von durchschnittlicher Qualität. Olympia war sicher keine Hochburg der Mosaikproduktion wie etwa Patras oder Sparta. Weder geometrische Muster noch figürliche Darstellungen lassen ein besonderes handwerkliches Geschick oder eine auffallend originelle Eingebung der Mosaizisten erkennen.

Von ikonographischem Interesse ist das Tritonmosaik aus den sog. Kronionthermen. Der Mosaizist hat seine (wahrscheinlich gemalte) Vorlage allerdings etwas unachtsam in Stein umgesetzt. Unter den geometrischen Pavimenten sticht das Peltenmosaik aus den Kladeosthermen hervor. Für die zum Zentrum hin changierende Farbigkeit des Musters gibt es bisher keine Parallelen in Griechenland. Von dem engen Bezug zwischen Decken- und Fußbodendekor legen die Mosaiken im Oktogon und im südlichen Raum des Mosaikhauses Zeugnis ab. Bei letzerem Paviment erhalten die Füllornamente auf dem schwarzen Hintergrund eine besondere Leuchtkraft. Im römischen Griechenland wurden äußerst selten Mosaiken mit schwarzem Grund verlegt.
Der disparate Charakter der hier gezeigten Beispiele ist kennzeichnend für die Mosaikproduktion in ganz Griechenland. Eine stilistische Beurteilung und genauere zeitliche Einordnung des Materials werden generell dadurch erschwert.

Literatur
Verf., Die kaiserzeitlichen Mosaiken in Olympia. Eine Bestandsaufnahme, in: VI Coloquio internacional sobre Mosaico antiguo. Palencia-Mérida, Octubre 1990 (1994) 135-147; Dies., Kaiserzeitliche Mosaiken in Griechenland Bd. I-II (Dissertation Bonn, 1994); Dies., Das Bodenmosaik aus Raum A, in: Nikephoros. Zeitschrift für Sport und Kultur im Altertum 8, 1995, 169ff.

Zum römischen Olympia
U. Sinn u. a. in der Zeitschrift für Sport und Kultur im Altertum  "Nikephoros" Bd. 2 ff. (1989 ff.); A. Mallwitz, Olympia und seine Bauten (1972) 107ff.; Ders. , Olympia und Rom, Antike Welt 19, 1988, 21ff.; E. N. Gardiner, Olympia. Its history and remains (1925) 152ff.; H.-V. Herrmann, Olympia. Heiligtum und Wettkampfstätte (1972) 183ff.; A. und N. Yalouris, Olympia. Ein Führer durch Museum und Heiligtum (1987) 26f.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um die gekürzte Fassung eines Vortrages, der 1998 im Rahmen des Kolloquiums „Olympia in der Römischen Kaiserzeit und in der Spätantike“ an der Bayerischen Julius-Maximilians-Universiät in Würzburg gehalten wurde.