Dr. Otto Kankeleit, Nervenarzt und Psychiater | ||
Geboren am 14. August 1887 in Berlin, gestorben am 4. Mai 1973 in Hamburg | ||
O.K. wuchs unter ärmlichen Verhältnissen in Pallädszen bei Tollmingkehmen
in Ostpreußen auf. Ein Onkel finanzierte seine Schulausbildung in Gumbinnen und sein Studium der Medizin in Berlin, wo er 1914 an der Friedrich-Wilhelm Universität promovierte. |
||
|
||
Während seiner Assistenzzeit in München lernte er die angehende Medizinerin Margarete Holl aus Mönchengladbach (14.08.1895-01.02.1954) kennen, die er 1919 in Hamburg heiratete, als er am Staatskrankenhaus Langenhorn Abteilungsarzt war. | ||
Mit Margarete Kankeleit hatte er zwei Töchter und einen Sohn, Egbert Kankeleit, den Verfasser dieser Zeilen. Margarete Kankeleit war ausgebildete Ärztin, engagierte sich jedoch hauptsächlich als Sängerin (Altistin) und hatte intensiven Kontakt zu katholischen Kreisen in Hamburg. | ||
O.K. war wegen seiner väterlich fürsorglichen Art sehr beliebt und setzte sich insbesondere dafür ein, die Lebensbedingungen der hospitalisierten Geisteskranken zu verbessern. Hierüber berichtet ein Artikel [1927] im Jubiläumsband Ochsenzoll [1993] zitiert (dort dem Aufsatz: "Was kosten die Minderwertigen den Staat" gegenübergestellt). | ||
1929 wurde O.K. Chefarzt der Versorgungsanstalt und Trinkerheilstätte in Hamburg Farmsen. Diese Stelle entsprach seinem Engagement, die teilweise katastrophalen Verhältnisse in kindereichen Familien Trunksüchtiger oder geistig Behinderter vor allem für die Kinder zu verbessern. Sterilisierung schien damals die einzige Lösung dieses Problems zu sein, für die sich, auf freiwilliger Basis, die Betroffenen oft aussprachen (insbesondere um andere Maßnahmen, wie Hospitalisierung, zu vermeiden). Im Gegensatz zu fast allen anderen Ländern (insbes. den USA), verbot das Reichsgesetz grundsätzlich die Sterilisierung. Das Gesetz in der Hinsicht zu ändern, dass eine freiwillig unterzogene Sterilisierung (nicht Kastration) unter Auflagen straffrei bleibt, war das Hauptanliegen von O.K., wozu er in seinem Buch [1929b], Materialien von Befürwortern und Gegnern (insbes. Kirchen) der Sterilisierung zusammenstellt. Leitsätze | ||
Wenn auch die ihn persönlich bewegenden sozialen Aspekte im Vordergrund
stehen, werden von ihm auch rassenhygienische Argumente angeführt, die damals,
heute kaum nachvollziehbar, allgemeines Gedankengut (auch bei seinen jüdischen
Freunden und Kollegen) waren. S 10-11, Nietzsche, Spengler 1933 wurde O.K. als SPD-Mitglied von den Nationalsozialisten fristlos aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Seine ablehnende Haltung zur Zwangssterilisation und Euthanasie mögen dabei eine Rolle gespielt haben. Eine weitere Verfolgung blieb ihm aber vermutlich wegen des Titels des genannten Buches erspart (so wie es heute unbedarft und meist ungelesen sogar als faschistisch und antisemitisch eingestuft wird, siehe unfundierte Artikel im Internet). |
||
Durch Rundfunksendungen und Publikationen (das Autogene Trainings [1933a]) konnte O.K. seinen Lebensunterhalt bestreiten. Später eröffnete er eine Praxis als Facharzt für „Nerven- und Gemütsleiden“ in Hamburg Barmbeck. Im Krieg wurde er als Luftschutzarzt in Hamburg eingesetzt. Nach dem Krieg erhielt er sehr bald Besuch durch britische Offiziere und Ärzte, denen seine politische Einstellung zum Faschismus bekannt waren. | ||
Ein Schwerpunkt seines Denkens, C.G. Jung nahestehend, kam in seinem Buch "Die schöpferische Macht des Unbewussten" [1933a] zum Ausdruck - ein Thema, das er nach dem Krieg in erweiterter Form mit dem Titel "Das Unbewusste als Keimstätte des Schöpferischen" aufgriff [1959]. | ||
Veröffentlichungen: | ||
[1927] Otto Kankeleit, Hamburger Anzeiger Nr. 32 1927. | ||
[1929a] Otto Kankeleit, " Abort und Neurose", Münchener med. Wochenschrift 1929. | ||
[1929b] Dr. Otto Kankeleit, "Die Unfruchbarmachung aus rassenhygienischen und sozialen Gründen", J.F. Lehmanns Verlag München, 1929. | ||
[1930a] Otto Kankeleit, "Psychische Wirkung des Aborts", Deutsches Arzteblatt, 1929 Nr. 27 und 1930 Nr. 3. /td> | ||
[1930b] Otto Kankeleit, "Schuldgefühl und Zwangsneurosee", Bericht über den 5. Allgemeinen ärztlichen Kongreß für Psychotherapie, Leipzig 1930. | ||
[1932] Otto Kankeleit, "Schuldgefühl und Neurose", Psychologie und Medizin 4. Bd., 1932. | ||
[1933a] Otto Kankeleit, "Die schöpferische Macht des Unbewussten", Verlag de Gruyter, Berlin 1933. | ||
[1933b] Otto Kankeleit, "Entspannungstherapie", Medizinische Welt, 1933. | ||
[1955] Dr. O. Kankeleit, "Das Wandlungserlebnis als psychologisches und religiöses Problem" "Wege zum Menschen, Monatsschrift für Seelsorge, Psychotherapie und Erziehung", Verlag Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen,1955. | ||
[1957] Otto Kankeleit "Wir sind ein Atem nur... " Hamburger Ärzte Verlag, 1957. | ||
[1959] Otto KANKELEIT, "DAS UNBEWUSSTE ALS KEIMSTÄTTE DES SCHÖPFERISCHEN", SelbstZeugnisse von Gelehrten, Dichtern und Künstlern Mit einem Geleitwort von C. G. Jung, ERNST REINHARDT VERLAG MÜNCHEN/BASEL 1959. Inhalt – Buchbesprechung. |
||
1893 - 1993 100 Jahre Allgemeines Krankenhaus Ochsenzoll |
||
Kontakt: Alexandra Kankeleit |